Die letzten "steinernen italienischen Monumente" rund um Zadar
Letzte Aktualisierung: 13. Juni 2009

Zadar und Kroatien 2006

[ >> flash4style.com ]
Dalmatien und seine Metropole Zadar war im Laufe seiner jahrtausend alten Geschichte immer begehrtes Ziel von Eroberern jenseits der Adria. Schon Julius Cäsar gründete eine Kolonie von römischen Bürgern in Zadar. Letzter italienischer "Herrscher" über Dalmatien und Zadar war der italienisch faschistische Diktator Mussolini. Alle Herren über Zadar, welche vom italienischen Stiefel aus regierten, hinterliessen ihr steinernen Monumente, welche heute Jahr für Jahr von tausenden Touristen besucht werden. Nur die faschistischen "Monumente" bleiben gänzlich unbeachtet. Dies wohl darum, weil kaum jemand - selbst die einheimischen Kroaten - weiss, dass rund um Zadar einmal mehr als 250 Bunker gebaut wurden.

Frühgeschichte und bis Anfang 20. Jahrhundert
Dalmatien war schon zur Steinzeit bei den Urmenschen - vermutlich seines milden Klimas wegen - ein beliebtes Siedlungsgebiet. Davon zeugen Funde aus jener Zeit rund um das Hinterland von Zadar. Schon im 9. Jahrhundert v. Chr. gründeten die Illyrer hier eine Siedlung und einen Handelshafen (Ladera genannt).
Mitte des 2. Jahrhundert v. Chr. unterwarfen die Römer die Stadt, welche sie konsequent weiter ausbauten und bevölkerten. Ab 48. v. Chr. wurde Zadar eine Kolonie von römischen Bürgern. Die Kolonie trug den Namen Colonia Julia Jader und wurde vermutlich von Julius Cäsar selber gegründet. Mit dem Niedergang Roms wird Jadera - oder eben Zadar - Hauptstadt der byzantinischen Provinz Dalmatien. Von da an wechselten die Herrscher, bis sich Zadar um 1000 n. Chr. zum Schutz vor Piraten unter venezianischen Schutz begab.
Ab dem 10. Jahrhundert kam Zadar unter kroatische Herrschaft. Erster kroatischer König, zu welchem Zadar gehörte, war Petar Krešimir IV. Im 12. Jahrhundert wurde Zadar mehrfach von der Republik Venedig angegriffen, bis 1118 die Venezier eine entscheidende Niederlage erlitten. In jener Zeit bestand die Stadtbevölkerung zum Großteil aus Kroaten, wie schliesslich auch Papst Alexander III. bei einem Besuch 1177 feststellen konnte. Diese rächten sich dann 1202, als sie mit Hilfe von französischen Kreuzfahrern die Stadt erst belagerten und dann eroberten. Viele Chronisten sahen die Eroberung des katholischen Zara durch christliche Ritter als unrühmliches Vorspiel zur Eroberung Konstantinopels knapp zwei Jahre später. Der Kreuzzugsgedanke, heilige Stätten von heidnischer Besatzung zu befreien, war ins Gegenteil verkehrt worden.
Die Venezier liessen die Stadt bis zur osmanischen Bedrohung im 16. Jahrhundert verfallen. Erst als diese das Hinterland erobert hatten, wurde die Stadt wieder stark befestigt und sicherte so den Handel in der Adria. Nach dem Fall Venedigs 1797 fiel Zadar an das österreichische Kaiserhaus. Diese Herrschaft dauerte aber nur bis 1806, als Österreich Venedig und das damit dazugehörende Dalmatien Napoleon überlassen musste. Obwohl die Franzosen nur bis 1813 Zadar beherrschten, war dies eine kulturelle Blütezeit für die Stadt. Es erschien die erste Zeitung in kroatischer Sprache und auch die Universität von Zadar wurde wieder eröffnet. Mit Hilfe von englischen Truppen kam Zadar im Herbst 1813 wieder unter österreichischer Herrschaft, wo es bis 1918 verbleiben sollte. Trotzdem war Zadar ab Mitte des 19. Jahrhunderts Mittelpunkt der kroatischen kulturellen und nationalen Wiedergeburtsbewegung in Dalmatien. In all diesen Jahrhunderten haben die jeweiligen Herrscher ihre Monumente und Bauten hinterlassen. Seien es die Überreste des römischen Forums, die Kirche des Heiligen Donat aus dem 8. Jahrhundert, oder das Landtor mit dem venezianischen Löwen aus dem Jahr 1543. Sie alle sind bekannte Fotomotive, die in jedem Prospekt oder Text über Zadar nicht fehlen dürfen.

Erster Weltkrieg bis Zweiter Weltkrieg - Die Bunker entstehen.
Am 1. August 1914 brach das erste grosse Unglück über Europa in Form des 1. Weltkriegs. Österreich-Ungarn - und mit ihm zusammen Kroatien - befanden sich nun im Krieg. Italien kam seiner Bündnispflicht mit Österreich-Ungarn nicht nach und verhielt sich zu Beginn neutral. Um Italien auf seine Seite zu bewegen, hatten die Alliierten mit den Londoner-Verträgen 1915 beschlossen, ein Gross-Serbien zu bilden und Italien für einen Kriegseintritt Istrien und Dalmatien als "Belohnung" zu überlassen. Der Krieg ging 1918 mit einer Niederlage Österreich-Ungarns zu Ende und seine Gebiete wurden neu verteilt. Italien berief sich auf die Londoner Verträge und besetzte sofort die ihr versprochenen Gebiete. Italienische Truppen marschierten in Zadar ein und sollten bis 1943 dort auch bleiben. Obwohl sich im Zuge der Versailler Verhandlungen und der Gründung des Königreich Jugoslawien unter serbischer Führung noch Gebietsveränderungen ergaben, wurde am 12. September 1920 mit dem Vertrag von Rapallo das Schicksal von Zadar besiegelt. Istrien, die Gegend um die Stadt Rijeka, Teile Norddalmatiens um die Stadt Zadar, sowie die Inseln Lošinj, Cres, Lastovo, Palagruža und Sušac - 10'000 Quadratkilometer mit einer halben Million Kroaten befand sich ausserhalb des Territoriums des Königreichs Jugoslawiens. Dieser Vertrag löste bei der Bevölkerung Dalmatiens und Istriens grosse Unzufriedenheit aus. Man hatte das Gefühl, dass man von den Serben verkauft wurde für territoriale Zugeständnisse im Osten Jugoslawiens. Diese Unzufriedenheit wuchs zusehends wegen des italienischen Nationalismus, der vorherrschte - und wegen der kulturellen Unterdrückung. So wurden kroatische Schulen geschlossen und italienisch als einzige Amtssprache eingeführt. Die Ortschaften erhielten italienische Namen, welche zum Teil noch bis heute in Italien angewendet werden.

Mit dem aufkommenden Faschismus in Italien ab den 1920er Jahren und den zunehmenden politischen Spannungen in Europa galt es für Italien seine "Kolonien" abzusichern. Darum wurde rund um Zadar und Rijeka ein Festungsbauprogramm gestartet. Ab 1932 bis 1938 wurde rund um Zadar eine Kette aus grossen und kleinen Bunkern erstellt, welche ein tiefes Verteidigungssystem mit vier Verteidigungslinien bildeten. Aufgabe dieser Bunkerkette aus mehr als 250 Anlagen war es, einen Angriff von Land her auf Zadar abzuwehren.
Es wurden dabei zwei Sorten von Bunkern erstellt. Die erste Sorte waren einfache Betonbunker welche zum grossen Teil einstöckig waren, und je nach Ausführung mehr oder weniger "dick" waren. Diese Bunker waren alle nicht miteinander verbunden. Die zweite Sorte von Anlagen waren Panzerkuppeln welche in den dalmatinischen Karstboden einbetoniert wurden. Diese von Fiat hergestellten Kuppeln waren durch unterirdische Gänge verbunden. In diesen Gängen waren kleinere Kavernen als Unterkunft für die Truppen enthalten. Diese "Infanteriewerke" waren aber weder luftdicht abgeschlossen wie die Bunker in der Schweiz, noch verfügten sie über irgendwelche Installationen für Strom oder Wasser. Im Prinzip waren es primitive Kampfinfrastrukturen mit geschützten Unterkünften. Die Bunker und Infanteriewerke entsprechen in keiner Art und Weise den Werken, wie sie in jener Zeit in der Schweiz gebaut wurden. Sowohl die Ausführung, als auch die Qualität des Betons waren unter dem Schweizer Standard. Die Bewaffnung der Bunker bestand ausnahmslos aus Maschinengewehren. Es gab keine verbunkerten Stellungen für Panzerabwehrkanonen. Trotzdem sollten diese Bunker 50 Jahre nach ihrer Erbauung ihre Feuertaufe erleben und auch überstehen. Dazu jedoch später.
Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs trat Italien auf Seite Deutschlands in den Krieg ein. Im April wurde das Königreich Jugoslawien von Deutschland und Italien besetzt und anschliessend aufgelöst. In der Folge entstand der unabhängige Staat Kroatien unter der Führung der faschistisch-nationalen Ustaša Bewegung. Dieser "unabhängige" Staat war de facto ein Vasallenstaat Nazi-Deutschlands, in dem dieselben Gräueltaten begangen wurden wie überall.
Zu Beginn jedoch herrscht in Kroatien Freude darüber, dass sich endlich der Traum von einem unabhängigen Kroatien erfüllt und man die serbische und italienische Unterdrückung los war. Diese Freude war aber von kurzer Dauer. Die kroatischen Ustaša - Faschisten überliessen mit den Verträgen von Rom im Sommer 1941 ihren italienischen Freunden den grössten Teil Dalmatiens und der Adriaküste. Neben den schon bestehenden Gebieten kamen so noch die Städte Šibenik, Trogir und Split samt Umland dazu. Auch alle Adriainseln mit Ausnahme von Hvar und Brac wurden den Italienern überlassen. Dies kostete die Ustaša alle Sympathien der dalmatinischen Bevölkerung, welche sie davor hatten. In Folge dessen wuchs die Partisanenbewegung unter Tito und hatte überdurchschnittlich viele dalmatinische Kämpfer in ihren Reihen. Diese waren in Dalmatien besonders aktiv.
Am 29. September 1943 kapitulierte Italien. In der Folge gelang es jugoslawischen Partisanenverbänden, die italienischen Waffen und Stellungen zu übernehmen. In Zadar gelang dies nicht und die Stadt kam unter deutsche Kontrolle mitsamt den Bunkern. Diese hatten bis dahin keinerlei Kampfhandlungen zu überstehen und sollten es auch weiterhin nicht. Wie die Schweizer Bunker so mussten auch sie sich nicht bewähren.

Kriegsende und der Weg in die Unabhängigkeit - Die Feuertaufe für die Bunker
Zadar wird bis Kriegsende mehrfach von den Alliierten bombardiert und auch stark zerstört. Am Kriegsende hat die Stadt nur noch 6000 Einwohner. Mit der Kapitulation Deutschlands und dem Sieg der kommunistischen Tito-Partisanen wird Kroatien eine Teilrepublik des kommunistischen Jugoslawiens. Die Italiener verlassen zum aller grössten Teil die bisher besetzten Gebiete und mit ihnen zusammen auch viele Kroaten. Die Stadt erwacht langsam wieder zum Leben und viele Inselbewohner ziehen in die Stadt. Die Bunker gehen vergessen, einige müssen Bauprojekten weichen, doch die meisten bleiben stehen und verwuchern rund um die Stadt. An einigen Orten entstanden direkt über den unterirdischen Bunkern Häuser, an einem anderen Ort sogar ein Friedhof. Mit dem Start des Baus der Küstenartilleriebatterien an der Adriaküste und den Inseln werden zahlreiche Panzerkuppeln in Zadar durch die jugoslawische Kriegsmarine ausgegraben und in den neuen Küstenartilleriebatterien wieder eingebaut. Wir haben euch darüber im Kapitel über die Insel Vis berichtet.

Mit dem Fall des eisernen Vorhangs geht auch die Ära des kommunistischen Jugoslawiens zu Ende. Leider verläuft die Auflösung des Staates nicht friedlich. Angestiftet durch serbische Nationalisten rund um Slobodan Milšosevic beginnt am Balkan ein blutiger Bürgerkrieg. Den Anfang dazu lieferten in Kroatien die serbischen Nationalisten im Hinterland von Zadar bereits 1990. Sie verweigerten der frei gewählten kroatischen Regierung ihre Gefolgschaft und wollten sich einem Grossserbien anschliessen. Da im dalmatinischen Hinterland relativ viele Serben lebten, waren die Unruhen die dem Krieg vorangingen, hier besonders gross. Die ethnische Durchmischung des Hinterlands war von Dorf zu Dorf verschieden und schon bald nach Ausbruch der Unruhen im Sommer 1991 befand sich Zadar mitten im Kriegsgebiet. Die in der Stadt stationierten Truppen der serbisch dominierten Jugoslawischen Volksarmee (JNA) hatten sich wie überall auf die Seite der aufständischen Serben gestellt und die Stadt von innen und aussen mit Artillerie beschossen. Den wenigen bewaffneten kroatischen Polizisten gelang es, mit Hilfe kroatischer Freiwilliger einige Kasernen zu übernehmen und sich etwas an Waffen und Munition zu beschaffen. Die Stadt war inzwischen zu 75% eingekesselt und Panzerverbände drängten in Richtung Stadt. Jetzt erst schlug die Stunde der italienischen Bunker!
Die Zivilbevölkerung entdeckt die Bunker plötzlich wieder für sich und so drängten sich während der stundenlangen Artillerieangriffe auf die Stadt viele Einwohner in diese Bunker. Sie fungierten plötzlich als Luftschutzbunker und retten so vielen Menschen das Leben.
Aber auch die Verteidiger der Stadt wussten die Bunker zu nutzen. Besonders im Abschnitt zwischen Ploce - Dracevac - Crno verlief die Frontlinie direkt entlang der ehemaligen italienischen Bunkerlinie. Hier bezogen die hoffnungslos schwach ausgerüsteten kroatischen Soldaten und Polizisten Stellung. Hier war es auch, wo im September 1991 die Stadt Zadar vor der serbischen Soldateska erfolgreich verteidigt wurde. Die Bunker waren zu Widerstandsnestern geworden, aus welchen Panzer abgeschossen und die angreifende Infanterie auf Distanz gehalten wurde. Trotz mehrer direkter Treffer der Artillerie und Panzer haben die Bunker standgehalten und ihren Besatzungen Schutz geboten. Am Ende siegten die kroatischen Verteidiger und Zadar blieb frei. Zwar war das Hinterland besetzt und bis 1993 war Dalmatien mit dem kroatischen Kernland nur über eine Insel und eine Brücke bei Pag verbunden. Mit der Aktion Maslenica 1993 wurde das Hinterland von Zadar befreit und 1995 mit der Aktion Oluja machte die kroatische Armee dem serbischen Traum eines Grossserbiens auf kroatischem Boden endgültig ein Ende.

Kurzanalyse des Kampfes um Zadar aus Schweizer Sicht
Aus Schweizer Sicht war der Verteidigungskampf um Zadar besonders interessant. Hier kämpfte die leicht bewaffnete kroatische Armee mit Hilfe der italienischen Bunker jenen Kampf, den die Schweizer Armee im Falle eines Angriffes führen wollte. Was besonders eindrücklich ist, ist die Tatsache, dass die kroatische Armee diesen Kampf gewonnen hat. Auf Grund dieser Erfahrungen sieht man, dass das Konzept von verbunkerten Verteidigungsstellungen Chancen hatte, zu funktionieren. Wenn die Stellungen von entschlossenen Mannschaften gehalten wurden, welche auch über eine bewegliche Aussenverteidigung verfügten, konnten sie auch einen mechanisierten Gegner aufhalten. Man kann sich nun selber vorstellen, wie das Ergebnis in der Schweiz ausgesehen hätte, wo die Bunker ungleich stärker gebaut, unterhalten, ausgerüstet und massiv besser bewaffnet waren. Dazu kam noch ein Netz von Artilleriefestungen und Festungsminenwerfern.

Heute sind die Bunker aus Zadar wieder in Vergessenheit geraten. Kein Tourist interessiert sich für diese italienischen Monumente, ausser vielleicht zwei ein bisschen verrückten Schweizern - wovon einer seine Wurzeln in Zadar hat.
 
Bunker und Anlagen in Kroatien


Dražnice


Dražnice - Diklo


Dražnice - Gaj


Bokanjac - Siedlung


Bokanjac - Friedhof


Bokanjac - Truppenübungsplatz


Bili Brig


Pudarica - Bunker


Pudarica - Stellungen


Crno


Ploce


Dracevac - Zentrum


Dracevac - West


Dracevac - Süd


Gazenica - Bunker


Gazenica - Tarnung und Abbruch